Damit das gesellschaftliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten gut und sicher funktioniert, braucht es Haupt- und Ehrenamtliche, die konstruktiv zusammenarbeiten. Wie das in Freilassing gelingt, darüber informierte sich vor kurzem Katharina Schulze. Auf Einladung des Grünen Kreisvorstands besuchte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag zwei wichtige Akteure, das Mehrgenerationenhaus „KONTAKT“ und die Bundespolizeiinspektion Freilassing.
Der Austausch mit der Landespolitikerin war auf Initiative von Bezirkstagskandidatin Ulrike Schweiger zustande gekommen, die zusammen mit Landtagskandidat Dr. Bernhard Zimmer die Termine organisiert hatte. Die Freilassingerin sagte bei der Begrüßung, dass es ihr ein Herzensanliegen sei, denen, die hier im Bereich „Soziale Arbeit“ Unglaubliches leisteten, eine Plattform zu bieten. Der Besuch aus München solle Wertschätzung und Wichtigkeit aller Beteiligten unterstreichen.
Mehrere Haupt- und Ehrenamtliche hatten sich um den großen Tisch in der sogenannten Bürgertreffküche des „KONTAKT“ versammelt, um ihre jeweiligen Projekte und Tätigkeiten kurz zu skizzieren. Zuerst stellte Silvio Gödickmeier, der Geschäftsführer von Startklar Soziale Arbeit Oberbayern, die Aufgaben und Herausforderungen des gemeinnützigen Trägers vor, der sich seit mittlerweile 35 Jahren in Ober- und Niederbayern um die Belange von Kindern, Jugendlichen und Familien kümmert. Angefangen hatte bekanntlich alles mit einer Jugendwohngruppe in Freilassing. Mittlerweile gehören zur Startklar-Gruppe sechs Tochterbetriebe, allein im Landkreis Berchtesgadener Land und in Traunstein arbeiten an die 120 pädagogische Fach- und Hilfskräfte. Zum Leistungskatalog gehören unter anderem die flexiblen und stationären Hilfen (Erziehungsstellen und Wohngruppen), die Schulbegleitung, die Jugendsozialarbeit an Schulen, die offenen Ganztagsschulen und die Trägerschaft des Mehrgenerationenhauses „KONTAKT“.
Besonders herausfordernd seien auch in diesem Bereich der Fachkräftemangel und die projektbezogene Finanzierung, die immer nur für ein Jahr laufe, so Gödickmeier. Katharina Schulze sprach sich für eine Verstetigung der Förderungen aus, denn nur so könnten aufgebaute Strukturen nachhaltig weiterwirken.
Karin Niedermeyer leitet das „KONTAKT“, das seit rund fünfzehn Jahren im Erdgeschoss des großen Wohnblocks an der Oberen Feldstraße 6 in mittlerweile vier Wohnungen beheimatet ist. Die Sozialarbeiterin erklärte die Strukturen, an denen die Ehrenamtler „andocken“ können, mittels eines bunten Organigramms. Das Spektrum ist riesig, reicht vom Generationenfrühstück über Hausaufgabenbetreuung bis zur offenen Computerberatung. Aktionen wie „Zeitzeugen“, „Kunst & Klamotte“, „Beauty-Day“ und vieles mehr kommen hinzu. Wer eine Idee hat, könne sich engagieren, so Niedermeyer, und auch „Nachwuchs“ sei jederzeit willkommen.
Katharina Schulze, die sich sehr beeindruckt von dem bunten und niederschwelligen Angebot zeigte, wollte wissen, wie viele Ehrenamtliche aktiv seien. Um die sechzig bis achtzig Leute, informierte Silvio Gödickmeier, was in etwa 18 Vollzeitstellen entspräche. Auch drei der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, Barbara Nikolai, Marie-Luise Thierauf und Danielle Prince, waren bei dem Austausch dabei und berichteten aus der Praxis von „Lesepat*innen“, von „Freilassing is(st) vegan“ und vom „Interkulturellen Frauen-Cafe“ und wie bereichernd die Begegnungen dort seien. Begeistert von dem Cafe-Projekt, lud Schulze die Frauengruppe spontan in den Landtag ein.
Nach einer kurzen Pause folgten eindrückliche Schilderungen der Flüchtlingsarbeit im Landkreis. Verena Seel berichtete, dass derzeit 1900 Flüchtlinge im Berchtesgadener Land seien, „Tendenz steigend“, so die Ehrenamtskoordinatorin der Caritas. Es brenne an allen Enden und Ecken. Man brauche mehr Ehrenamtliche und vor allem mehr Dolmetscher. Darüber hinaus müssten auch mehr Integrationsklassen und Deutschkurse angeboten werden, gab Seel der Politik mit auf den Weg. Eine lebhafte Diskussion entspann sich um das Problem „Verbrennen im Ehrenamt“. Einig war sich die Gesprächsrunde, dass die Hauptamtlichen so gestärkt werden müssen, dass sie die Ehrenamtlichen gut betreuen und motivieren können. Ulrike Schweiger verwies in diesem Zusammenhang auf das Programm „Schau auf di“, das einmal im Monat in Bad Reichenhall von der Caritas und dem Landratsamt Berchtesgadener Land angeboten wird.
Diakon Peter Kleinert von der katholischen Pfarrgemeinde Freilassing gab einen Überblick über die Situation der Ukraine-Flüchtlinge im letzten Frühjahr. Innerhalb von wenigen Tagen habe die Bundespolizei in der Montagehalle der Lokwelt ein Aufnahmezentrum eingerichtet. Humanitäre Hilfe sei von der Caritas geleistet worden, doch weil für diese schwer zu stemmende Aufgabe Leute fehlten, sei die Pfarrgemeinde spontan mit rund sechzig Ehrenamtlichen eingesprungen. Er versuche, dass dieses Netzwerk handlungsfähig bleibt und langfristig wirken kann, sagte der Diakon.
Handlungsfähig versucht auch die „Tafel“ zu bleiben, was nicht ganz leicht sei in diesen Zeiten, betonte Ulrike Schweiger, die in Vertretung von Tafel-Leiterin Erika Kloss sprach. Die Behörden würden nämlich die ukrainischen Kriegsflüchtlinge zur Tafel schicken, jedoch ohne jegliche Unterstützung von staatlicher Seite. Auch die rein ehrenamtlich betriebene Tafel hoffe auf mehr ehrenamtliche Helfer, denn von den derzeit zehn Fahrern, die die Lebensmittelspenden einsammeln, seien alle über 65 Jahre, so die Bezirkstagskandidatin.
Bernadette Sattler vom städtischen Kinder- und Jugendbüro verwies auf den wichtigen Punkt „Recht auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler ab 2026“. Sie sehe das kritisch, denn wenn die Kinder um 16 Uhr heimkommen, seien sie „durch“, so ihre Formulierung, um raus auf den Spielplatz zu gehen oder in einem Verein aktiv zu werden. „Es bleibt sehr wenig Raum für die Kinder, einfach Kind zu sein“, so Sattler. Katharina Schulze versprach, das Thema Rechtsanspruch für offene Ganztagsschule und die Vorbereitung dafür voranzubringen.
Am Ende der Gesprächsrunde bedankte sich die Grünen-Politikerin für den offenen Austausch und den tollen Einblick. Während eines gemeinsamen Mittagessens, das Snezana Hein in der Bürgertreff-Küche vorbereitet hatte, wurde noch angeregt weiter diskutiert, bevor es für die Grünen weiter zur Bundespolizei ging.