Zu einer Diskussionsrunde mit den Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek und Niklas Wagener hatte der Kreisverband Berchtesgadener Land in die Freilassinger Lokwelt eingeladen. Arbeitskräftemangel, bezahlbarer Wohnraum, Energie und Bildung waren die Themen, die vermehrt angesprochen wurden. Moderiert wurde die abendliche Veranstaltung, die unter dem Motto „Wir fragen – Berlin antwortet“ stand, von den Kandidaten für Bezirkstag und Landtag Ulrike Schweiger und Dr. Bernhard Zimmer.
Es hatten sich an die zwanzig Interessierte eingefunden, darunter auch Vertreter der lokalen Politik wie die zweite Bürgermeisterin von Traunstein, Burgi Mörtl-Körner, der dritte Bürgermeister von Freilassing Wolfgang Hartmann, Landratsstellvertreterin Elisabeth Hagenauer sowie Vertreter aus der Wirtschaft und der Handwerkerschaft.
Dieter Janecek berichtete, dass das Thema „Heizung“ während seiner Sommertour durch Oberbayern auf vielen Veranstaltungen im Mittelpunkt stand. Die Menschen seien zu Recht verunsichert, denn Deutschland habe viele Jahre nichts gemacht, wodurch diese Thematik aus dem Bewusstsein der Menschen gefallen sei. Es brauche eine bessere Kommunikation der Regierung sagte der Abgeordnete, der neun Jahre dem Wirtschaftsausschuss angehörte und seit heuer der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Tourismus ist. In Kürze würden alle Details und Fördermöglichkeiten des neuen Gebäudeenergiegesetzes, bekannt als Heizungsgesetz, bekannt gegeben. „Die Bürger werden viele Optionen haben“, sagte Janecek. Während der Ausbau der Photovoltaik und der Windkraft in Deutschland stark gestiegen sei, müsse das Planungsrecht verbessert, ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht und der Wohnungsbau angegangen werden. „Wir werden uns verändern müssen, aber es muss sozial gerecht von statten gehen“, betonte Janecek.
Auch im Bereich, wo Forstwirt Niklas Wagener arbeitet, muss Vieles angegangen werden. Der Unterfranke gehört seit 2021 dem Bundestag an und ist zuständig für die Waldpolitik in der Bundestagsfraktion der Grünen. „Vier von fünf Bäumen sind in Deutschland krank, es liegt viel Arbeit vor uns und es muss aufgeforstet werden“, sagte Wagener. „Wenn wir den Klimawandel nicht eindämmen, dann werden wir den Wald nicht retten können“, so die Prognose des Aschaffenburgers. Und weiter: laut Thünen-Institut würde Deutschland derzeit 100 Millionen Festmeter Wirtschaftsholz aus den Wäldern rausholen, 2050 würde man laut dem Institut nur mehr die Hälfte ernten können. Daher müsse man mit dem wertvollen Rohstoff Holz sparsam umgehen. Mit Holz zu heizen sei auf dem Lande vertretbar, vor allem wenn Restholz verwendet wird. Der Abgeordnete informierte zum Abschluss seiner kurzen Vorstellung noch über das Förderprogramm „Waldnaturschutz“, das der Bund letztes Jahr aufgelegt habe. Private Waldbesitzer und Kommunen würden davon profitieren, wenn sie ihren Wald nachhaltig bewirtschaften und damit einen Beitrag zur ökologischen Vielfalt leisten.
Bevor die Fragerunde startete, berichtete Bernhard Zimmer von der sehr aktiven Arbeitsgemeinschaft „Wald“, der er seit 2011 angehört. Diese Arbeitsgemeinschaft ist eine Gruppe von Försterinnen und Förstern innerhalb der Landesarbeitsgemeinschaft „Landwirtschaft, Wald und ländliche Entwicklung“ der bayerischen Grünen. Ihr sei es mit zu verdanken, dass Holz als erneuerbare Energie im Gebäudeenergiegesetz (GEG) aufgenommen wurde.
„Bayern ist Waldland, es hat 700 000 Waldbesitzer und muss daher gut in Berlin vertreten sein“, so der Direktkandidat der Grünen für den Landtag.
Die Diskussion: Bürger haben viele Fragen
Hans Eisenbichler, Unternehmer aus Teisendorf, eröffnete die Diskussion. „Wir haben einen Arbeitskräftemangel auf allen Ebenen, vom Lehrling über den Facharbeiter bis zum Meister und Ingenieur“. Er forderte die Abgeordneten auf, alles in ihrer Macht liegende zu unternehmen, hier Abhilfe zu schaffen. Nach Eisenbichlers Ansicht müsse mehr im Ausland akquiriert werden und vor Ort die deutsche Sprache gefördert werden. „Es gibt eine ganze Reihe kleiner Schritte, die was helfen würden“, ist der Teisendorfer überzeugt.
Bartl Wimmer, der Fraktionssprecher der grünen Kreistagsfraktion, stimmte Eisenbichler zu. „Unser Landkreis wird in den nächsten Jahren laut Sozialraumanalyse 13 000 von 34 000 Arbeitskräften verlieren, das sind fast vierzig Prozent“, so der Berchtesgadener Unternehmer. Ebenso dramatisch sei das Wohnraumproblem für Menschen, die hierher kommen, um zu arbeiten. „Wir haben keine Wohnungen, um die Leute unterzubringen, ebenso sind wir weit weg von einer Willkommenskultur“ brachte Wimmer die Situation auf den Punkt. Aufgrund von Personalmangel werde man mit Betriebsschließungen rechnen müssen. Seiner Meinung nach werde dies auch gut geführte Unternehmen treffen. Dieter Janecek pflichtete ihm bei und verwies auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im November in Kraft treten werde. Es gelte auch, einen neuen „Geist“ in deutsche Auslandsbotschaften zu bringen, die bisher, so Janecek, keine Servicebüros seien.
Ein Vertreter vom Fleischgroßhandel sagte, dass Betriebe, die Wohnungen für ihre Mitarbeiter anbieten können, einen Vorteil in der Personalgewinnung haben. Seiner Meinung nach sollte es für den Bau von Mitarbeiterwohnungen eine staatliche Förderung geben. Dieter Janecek entgegnete, dass der Wohnungsbau im Allgemeinen gefördert werden müsse. Der Staat werde das Problem aber nicht alleine lösen können und die Betriebe müssten auch etwas tun. Niklas Wagener berichtete aus seiner unterfränkischen Heimat, wo sich lokale Abgeordnete um gute Unterkünfte für junge ausländische Familien kümmern würden, damit diese auch in den Kommunen bleiben wollen.
Für Wolfgang Hartmann, den dritten Bürgermeister von Freilassing, ist das Problem des Fachkräftemangels auch ein hausgemachtes. Der Optikermeister, der 25 Jahre ausgebildet hat, brach eine Lanze für die duale Berufsausbildung und meinte „unsere Kinder müssen doch nicht alle studieren“. Die Familien hierzulande würden ihr Kinder nicht ins Handwerk schicken. Und weiter: „Es ist alles lange bekannt, aber wir müssen auch selbst was tun“, so sein Appell. Bernhard Zimmer verwies auf das grüne Landtagsprogramm, in dem das Handwerk einen großen Stellenwert einnehme. Auf der oberbayerischen Landesliste stünden zwei Handwerkermeister. „Auch unsere Partei entwickelt sich weiter“, befand der Kreisrat.
Ein Handwerksmeister aus der Sanitär- und Heizungsbranche beklagte den starken Rückgang an Azubis. Er stimmte Wolfgang Hartmann zu, dass immer weniger Eltern ihre Kinder ein Handwerk erlernen lassen und dass das Problem schon lange bekannt sei. Sein Ansatz, wie man die Situation verbessern könnte: die Menschen, die zu uns kommen, müssten schnell und unkompliziert die Möglichkeit haben, Deutsch zu lernen. Janecek verwies auf das Wachstumschancengesetz und die daraus zu erwartenden positiven Tendenzen für die Wirtschaft. Viele kleine Maßnahmen wie etwa flexiblere Arbeitszeiten würden helfen, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Bartl Wimmer sprach in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Digitalisierung an: „Wir brauchen für die Verwaltung eine bessere, effizientere Digitalisierung“.
Burgi Mörtl-Körner brachte die Aspekte Bildung und Zuwanderung in die Diskussion ein. „Wir müssen mehr in die Bildung der Kinder und in Sprachkurse investieren“. Ihrer Meinung nach müsse man sich besser um die zugewanderten Familien kümmern, denn diese seien eine Chance für uns. Ulrike Schweiger stimmte ihr zu und berichtete zum Abschluss der gut zweistündigen Veranstaltung von ihrer Erfahrung als Ehrenamtskoordinatorin der Caritas. „Wir brauchen die ganze Gesellschaft, um alles zu stemmen, aber wir als Grüne müssen das auch vorleben“ so ihre Aufforderung, für die sie viel Applaus bekam.